Die lehramtlichen Aussagen von Papst Pius XII. zu Freiheit und Grenzen wissenschaftlicher Forschung


Papst Pius XII. ging in einer Ansprache vom 22. November 1951 an Kardinäle, Gesandte ausländischer Staaten und Mitglieder der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften ausdrücklich auf die Fragen zur Ausdehnung des Universums und auch auf andere mögliche neuere wissenschaftliche Datierungsmethoden zum Alter der Erde usw. ein und anerkannte damit, dass eine seriöse wissenschaftliche Bemühung dem Glauben der Kirche keineswegs entgegengesetzt sein kann.
Im Jahr zuvor hatte er in der Enzyklika „Humani generis“ auch zu Fragen der Erforschung der Entwicklungsgeschichte des Menschen und des Verständnisses des Schöpfungsberichts in der Bibel Stellung genommen. Auch hier verbietet er die wissenschaftliche Bemühung nicht, insofern sie nicht in voreingenommener Selbstüberschätzung gegen Gott und Seine Schöpfung oder gegen die Wahrheit selbst ankämpft. Freiheit und Pflicht seriöser wissenschaftlicher Forschung ergibt sich damit sinngemäß auch für die Beschäftigung mit anderen wissenschaftlichen Fragen:
„Aus diesem Grund verbietet das Lehramt der Kirche nicht, dass in Übereinstimmung mit dem augenblicklichen Stand der menschlichen Wissenschaften und der Theologie die Entwicklungslehre Gegenstand der Untersuchungen und Besprechungen der Fachleute … sei, insoweit sie Forschungen anstellt über den Ursprung des menschlichen Körpers aus einer bereits bestehenden, lebenden Materie, während der katholische Glaube uns verpflichtet, daran festzuhalten, dass die Seelen unmittelbar von Gott geschaffen sind.
Es sollen …die Gründe für beide Ansichten, also dieser, die der Entwicklungslehre zustimmt, wie jener, die ihr entgegensteht, mit dem nötigen Ernst abgewogen und beurteilt werden, vorausgesetzt, dass alle bereit sind, das Urteil der Kirche anzunehmen, der Christus das Amt anvertraut hat, die Heilige Schrift authentisch zu erklären und die Grundsätze des Glaubens zu schützen. Einige überschreiten nun verwegen diese Freiheit der Meinungsäußerung, da sie so tun, als sei der Ursprung des menschlichen Körpers aus einer bereits bestehenden und lebenden Materie … bereits mit vollständiger Sicherheit bewiesen; ebenso tun sie, als ob aus den Quellen der Offenbarung kein Grund vorliege, der auf diesem Gebiet nicht die allergrößte Mäßigung und Vorsicht geböte.
37) Wenn es sich aber um eine andere Hypothese handelt, den so genannten Polygenismus, lässt die Kirche nicht die gleiche Freiheit. Darum können Gläubige sich nicht der Meinung anschließen, nach der es entweder nach Adam hier auf Erden wirkliche Menschen gegeben habe, die nicht von ihm, als dem Stammvater aller auf natürliche Weise abstammen, oder dass Adam eine Menge von Stammvätern bezeichne, weil … diese Ansicht“ nicht „in Übereinstimmung gebracht werden kann mit dem, was die Quellen der Offenbarung … über die Erbsünde sagen; diese geht hervor aus der wirklich begangenen Sünde Adams, die durch die Geburt auf alle überging und jedem einzelnen zu eigen ist.
Der historische Wert der Genesis
38) Wie in den biologischen und anthropologischen Wissenschaften, so missachten auch in der Geschichte einige kühn die von der Kirche vorsichtig gezogenen Grenzen. In besonderer Weise gibt ein System Anlass zur Trauer, das die geschichtlichen Bücher des Alten Testamentes mit allzu großer Freiheit erklärt. … ein Schreiben … der Päpstlichen Bibelkommission an den Erzbischof von Paris … weist ausdrücklich darauf hin, dass die ersten elf Kapitel des Buches der Schöpfung doch in einem wahren Sinn, der von den Exegeten noch weiter zu erforschen und zu erklären ist, geschichtlich sind, wenn sie auch eigentlich nicht der Methode der Geschichtsschreibung entsprechen, die von den besten
griechischen und lateinischen Autoren, auch von den Fachleuten unserer Zeit, angewandt wurde. Die gleichen Kapitel, so heißt es weiter, berichten in ihrer einfachen und bildhaften, der Denkart eines wenig gebildeten Volkes angepassten Sprache die Hauptwahrheiten, die für unser Heil von grundlegender Bedeutung sind; zugleich geben sie aber auch einen volkstümlichen Bericht vom Ursprung des Menschengeschlechtes und des auserwählten Volkes.… Es können … die der Heiligen Schrift eingefügten volkstümlichen Erzählungen in keiner Weise mit Mythologien oder dergleichen
auf die gleiche Stufe gestellt werden, da diese mehr Frucht einer ausschweifenden Einbildungskraft sind als des Strebens nach Wahrheit und Einfachheit, das in den Büchern des Alten Testamentes so sehr hervorleuchtet“

Enzyklika „Humani Generis“, offizieller deutscher Text, Wien 1950, hier zitiert nach: http://stjosef.at/dokumente/humani_generis.htm
Die Nummerierung entspricht der englischen Fassung des Vatikans.

 

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